Kritische Stimmen

zu E. Marlitt und ihren Werken

1885 entfachte sich eine Literaturfehde über Marlitts Werke seitens der Naturalisten, die Marlitt "Lüsternheit" und Reduzierung aller handlungsfördernder Momente auf "Liebeslust und -leid" vorwarfen. Diese Attacken trugen dazu bei, dass Marlitt zunehmend als Unterschichtsliteratur galt.

Von Marlitts Zeitgenossen

Gottfried Keller (zitiert nach B Potthast, Eugenie Marlitt, Diss., Köln 1926, 13)

"Das ist ein Zug, ein Fluß der Erzählung, ein Schwung der Stimmung und eine Gewalt der Darstellung dessen, was sie sieht und fühlt, - ja, wie sie das kann, bekommen wir das alle nicht fertig. Wir wollen nur nicht ungerecht sein und der Schwächen wegen, die sie auch hat, ihr das wegstreiten. In dem Frauenzimmer steckt was von dem göttlichen Funken (…) Es lebt in (ihr) etwas, das vile schriftstellernden Männer nicht haben, ein hohes Ziel; diese Person besitzt ein tüchtiges Freiheitsgefühl, und sie empfindet wahren Schmerz über die Unvollkommenheit in der Stellung der Weiber."

Levin Schücking (zitiert nach M. Neckar, "Nachwort," Marlitts Gesammelte Werke, Bd. 10, ca. 1885):

"(…) diese Erfolge (der Marlitt) sind (…) in der Tat (…) wohlverdient. Die Marlitt ist ein Erzählertalent, wie es noch keine Frau in Deutschland entwickelt hat, sie ist in manchen Dingen wirklich groß! Namentlich in zwei Dingen, in der Psychologie des Frauenherzens und in dem, was ich Kolorit nenne."

Theodor Fontane (in Von Dreißig bis Achtzig, 223)

"Die Sachen von der Marlitt, von (…) Personen, die ich gar nicht als Schriftsteller gelten lasse, erleben nicht nur zahlreiche Auflagen, sondern werden auch wohlmöglich ins Vorder- und Hinter-indische übersetzt; um mich kümmert sich keine Katze. Es ist so stark, daß es zuletzt wieder ins Lächerliche umschlägt. Und das rettet mich, sonst würde ich leberkrank (…)."

 

 

 

 

 

 

Von unseren Zeitgenossen

Hazel E. Rosenstrauch (Rucktäschel, Zimmermann, eds. Trivialliteratur. (München: Fink, 1976), 179)

"Die Marlitt versteht sich selbst als Künstlerin, die in erzieherischer Absicht schreibt und mit ihrem Schreiben gegen die konservativen Mächte kämpft, gegen die 'Wiederkehr alter, verrotteter, menschenfeindlicher Institutionen'. Sie identifiziert sich voll und ganz mit Keil und der Gartenlaube, 'wir beide haben ein Ziel, es ist der Ruhm und das Blühen der Gartenlaube (…)' schreibt sie an den Herausgeber der Zeitschrift. Sie äußert sich auch gegen die Anpassung an das Publikum: 'Wenn ich durch meine Frauengestalten in jungen Mädchenseelen den Trieb der Nacheiferung wecke, so ist mir dies ein weit höherer Lob als der Beifall eines blasierten Publikums."


Back to Top

Back to Syllabus